Was sind Revenue Leaks?
Unternehmen sind meist darauf fokussiert, ihre Produkte und Dienstleistungen zu vermarkten, sie bekannt zu machen und sie an eine interessierte Zielgruppe zu verkaufen. Weniger im Fokus steht die Problematik, dass die gelieferten oder geleisteten Umsätze oft nicht korrekt verrechnet werden – und das in einem systematischen Ausmaß: Seien es fälschlich gewährte Rabatte, Fehler bei der Rechnungsstellung oder Konditionen, die dem Kunden gewährt wurden, ohne dass die Voraussetzungen erfüllt waren; die Liste an Möglichkeiten, warum ein verdienter Euro nicht unbedingt den realen Gegenwert eines Euros haben muss, ist lang und wird in unserem Beitrag zu den Ursachen von Revenue Leaks behandelt. Verbucht werden zwar die nominalen Umsätze, doch diese werden zu einem nicht unerheblichen Teil durch die zuvor beschriebenen Vorgänge aufgezehrt.
Dieses Phänomen wird als „Revenue Leakage“ bezeichnet, was übersetzt ins Deutsche „Umsatz-Lecks“ bedeutet. Wie bei einem undichten Rohr, das ständig ein etwas verliert, verhält es sich mit den Umsätzen: Die Verluste, die durch die Lecks entstehen, sind laut Studien bei Weitem nicht vernachlässigbar und über einen längeren Zeitraum summieren sie sich zu erheblichen Beträgen auf. Damit geht bares Geld verloren, das an anderen Stellen fehlt.
Gemäß einer Befragung der Boston Consulting Group sehen 45% der Geschäftsführer diese Leaks als ein systematisches Problem für ihr Unternehmen an. Es wird geschätzt, dass Revenue Leaks die Gewinne von Unternehmen vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITA) um 2% bis 5% schmälern – Jahr für Jahr (siehe „Achieving Rapid Topline Growth with Revenue Assurance“, Studie der Boston Consulting Group, 2020)
Wie entstehen Revenue Leaks?
Revenue Leaks entstehen nicht zuletzt aufgrund eines mangelnden Bewusstseins für das Problem aufseiten der Unternehmen; es wird zwar Geld beim Verkauf der Produkte und/oder Dienstleistungen verdient, allerdings wird es nicht eingenommen. Das bedeutet, dass zwar Erlöse durch Verkäufe generiert werden, jedoch nicht in dem Umfang, der unter korrekten Bedingungen möglich gewesen wäre. Damit sind keine bewussten Preisnachlässe oder Rabatte gemeint. Vielmehr resultieren die Umsatz-Lecks aus der falschen Verrechnung der vertraglich vereinbarten Konditionen.
Revenue Leaks sind ein wachsendes Problem, weil einerseits Geschäftsmodelle, Kundenbedürfnisse und Märkte immer dynamischer werden. Andererseits werden die dahinterliegenden IT Systeme und -Landschaften immer komplexer. Die Geschäftsmodelle und Marktrealitäten werden nicht verlustfrei in den Systemen abgebildet. Realität und das interne “Processing” laufen auseinander. Es entstehen Softwarefehler, die in barer Münze aufzuwiegen sind.
Die Gründe für Revenue Leaks sind vielfältig und je nach Branche unterschiedlich. Häufig treten sie dann auf, wenn Richtlinien für vertraglich zugesicherte Rabatte oder das Forderungsmanagement nicht zentral verwaltet werden. So kann es vorkommen, dass Vertriebsmitarbeiter ihren Kunden Rabatte gewähren, die entweder gemäß der Vertragsbedingungen nicht notwendig wären oder sogar schon in Anspruch genommen werden. Ebenso kann es vorkommen, dass zusätzliche Dienstleistungen kostenlos angeboten werden, obwohl diese nur gegen eine Gebühr erhältlich wären. Zudem kann es zu Umsatzeinbußen infolge eines lückenhaften Vertragsmanagements kommen, wenn etwa Konventionalstrafen fällig werden, diese aber nicht eingefordert werden. Dieser Fall tritt vor allem dann auf, wenn komplexe Vertragsbedingungen ausgehandelt wurden, der Kunde gegen diese verstößt, aber die entsprechende Verletzung gar nicht bemerkt wird.
Risikoquellen und deren Behebung
Dabei sind die Revenue Leaks vor allem im Umgang mit den entsprechenden Software-Systemen zu suchen, mit denen die jeweiligen Beschäftigten arbeiten. Diese sind komplex und müssen laufend erweitert und umkonfiguriert werden, um Produktbündel, Konditionen, Preise, Lieferbedingungen etc. zu pflegen, um ganz einfach die Realitäten der Geschäftsmodelle, Kundenbedürfnisse und Vertriebstaktiken abzubilden. Derartige Tätigkeiten sind oft mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden und teils monoton und repetitiv bzw. in manchen Fällen sehr komplex, sodass sich infolge von Unachtsamkeit schnell Fehler einschleichen können.
Variationen in der Ausgestaltung von Waren und Dienstleistungen können ebenfalls zu Verwirrung und Fehlern bei den zuständigen Mitarbeitern führen, wenn beispielsweise ein Angebot zu einem niedrigeren Preis verkauft wird, der nur für eine bestimmte Variation des Produkts vorgesehen war.
Die Geschäftsführung ist deshalb gut beraten, Revenue Leaks systematisch zu beseitigen, um eine optimale Erlössicherung zu gewährleisten. Damit diese Ursachen effektiv angegangen werden können, ist es zunächst einmal erforderlich, sie überhaupt zu identifizieren. Normalerweise haben die Verantwortlichen ein gutes Gespür für Fehlerquellen. Hier sollte die Geschäftsführung auch die Finanzabteilung Unterstützung leisten.
Es empfiehlt sich an dieser Stelle besonders, diejenigen Kunden unter die Lupe zu nehmen, deren Vertragsbedingungen am komplexesten sind. Der Verdacht mag zwar zunächst auf die Kunden fallen, die den größten Teil des Umsatzes generieren, doch dies muss nicht stets der Fall sein: Eine oft größere Bedeutung als die Zahlen, welche die absoluten Erlöse beschreiben, haben bei Revenue Leaks die Vertragskonditionen.
Im Rahmen dieses Untersuchungsprozesses, sofern er gründlich durchgeführt wird, ist zu erwarten, dass mehr als nur ein Revenue Leak identifiziert wird. Deshalb sollten diese nach ihrer betriebswirtschaftlichen Relevanz geordnet und zunächst die Fehlerquellen behoben werden, die den größten negativen Effekt auf die Einnahmen haben.
Sobald Maßnahmen implementiert wurden, die geeignet scheinen, der Revenue Leakage entgegenzuwirken, sollten diese nach einer Weile re-evaluiert werden. Hierzu eignet sich nicht nur der Blick auf bloße betriebswirtschaftliche Kennziffern, es sollte wiederum ein Review mit der Finanzabteilung durchgeführt werden.
Folgende Methoden eignen sich unter anderem, um Umsatzeinbußen aufgrund der Leaks zu reduzieren:
- Die Analyse und Anpassung von Arbeitsprozessen ist eine Maßnahme, die sich als effektiv zur Optimierung der Erlössicherung erwiesen hat. So können verwirrende Preis- und Rabattlisten einfacher und/oder übersichtlicher gestaltet werden, um Fehlerquellen zu reduzieren. Gelegentlich kann es vorkommen, dass Mitarbeiter eines Unternehmens aus verschiedenen Gründen zu hohe oder zu viele Preisnachlässe gewähren. Die Gründe für solches Verhalten müssen nicht in einer pflichtwidrigen Einstellung des jeweiligen Mitarbeiters liegen; es ist möglich, dass lediglich eine Verbesserung der Kundenbeziehung das Ziel war, die durch besondere Großzügigkeit erreicht werden sollte.
- Wo immer es möglich ist, sollten manuelle Abläufe durch Softwarelösungen ersetzt werden. Dies betrifft insbesonders auch die automatisierte Digitalisierung von Rechnungen und anderen Dokumenten, die in Papierform vorliegen.
- Mitarbeiter sollten angehalten werden, Vertragsbedingungen konsequent durchzusetzen. Unternehmen, die in dem zweifelhaften Ruf stehen, Vertragsbedingungen zwar zu definieren, aber nicht durchzusetzen, können Kunden dazu verleiten, vertragliche Verpflichtungen regelmäßig zu verletzen, da kein ernst zu nehmendes Risiko einer Sanktionierung besteht.
- Vor allem größere Unternehmen können eine (Vollzeit-)Stelle oder eigene Teams schaffen, der die sogenannte Revenue Assurance anvertraut wird.